Vertraut man den Herstellern moderner Landtechnik, liegen die Schlüssel zu mehr Ertrag, mehr Effizienz und sogar zu mehr Umwelt- und Gewässerschutz im Precision Farming: GPS-Steuerung, Multispektralanalysen der Pflanzen, Bodenanalysen und computergesteuerte Agrarmaschinen, die auf den Zentimeter und das Gramm genau düngen, säen und ernten.

Für die großen Ackerflächen in Ostdeutschland ist das inzwischen auch unstrittig. Aber ob „Precision Farming“ auch auf den kleinstrukturierten Betrieben des Münsterlandes funktioniert, darüber lässt sich trefflich streiten. Die experimentierfreudigen Landwirte auf der einen Seite, die Traditionalisten und Skeptiker auf der anderen. Wer nun recht hat in dem Streit, ob moderne Technik auf münsterländischen Äckern etwas bringt oder nicht, sollte ein Forschungsprojekt der Fachhochschule Südwestfalen unter Leitung von Prof. Dr. Bodo Mistele und Prof. Dr. Jan-Henning Feil klären. Nach gut zweijähriger Forschungsarbeit wurden jetzt in Warendorf die Ergebnisse präsentiert.

Rund 120 Landwirte aus der Region waren in die Deula gekommen. Sie alle wollten wissen, was unter dem Strich übrig bleibt – rote oder schwarze Zahlen. Das Projekt „DigitalFarmPraxis“ war ein Forschungsprojekt der Europäischen Innovationspartnerschaft EIP. Daran beteiligt waren neben der FH Südwestfalen die Deula Westfalen-Lippe, die Maschinengemeinschaft Freckenhorst und fünf Landwirte aus dem Kreis Warendorf.

Gemeinsam hat man in den Jahren 2021 und 2022 mehr als 25 Feldversuche durchgeführt. Auf den Versuchsäckern wurden Mais und Getreide sowohl konventionell gedüngt, gesät und beerntet als auch mit modernster Agrartechnik der Maschinengemeinschaft als Lohnunternehmen teilflächenspezifisch bewirtschaftet.

Während der gesamten Vegetationsperiode wurden die Versuchsfelder und ihr Pflanzenwachstum beobachtet. Das Ziel bei der digital unterstützten Bewirtschaftung: Pflanzenwuchs auf gutem Boden gezielt fördern und auf Boden mit schlechterer Qualität weniger säen und weniger düngen, als ein Beispiel der verschiedenen Versuche.

Spektakuläre Erfolge, aber keine Goldgräberstimmung

Wer jetzt eine abschließende, universell geltende Wahrheit erwartete, wurde enttäuscht: „Wenn wir Ihnen erzählen würden, dass Sie mit Precision Farming garantiert 20 Prozent mehr ernten, würden Sie uns im nächsten Jahr den Kopf abreißen“, erklärte Lukas Berwinkel-Kottmann bei der Ergebnispräsentation. Er ist für die Fachhochschule Südwestfalen für den Versuchsaufbau mitverantwortlich. Gemeinsam mit seinem Kollegen Jan Büscher von der Deula hat er auf dem Acker die Versuche angelegt, gesteuert und schließlich ausgewertet.

Dabei waren die Ergebnisse durchaus positiv: Im Schnitt wurden mit digitaler Unterstützung bei fast allen Versuchsanlagen höhere Erträge eingefahren als bei konventioneller Bewirtschaftung. Prozentual waren diese Mehrerträge nicht spektakulär, aber deutlich. Interessant wurde es dann aber, als die Mehrerträge gegen die Mehrkosten durch die digitale Technik der Maschinengemeinschaft aufgerechnet wurden. Prof. Dr. Jan-Henning Feil präsentierte die Wirtschaftlichkeitsberechnungen. Und hier wurde deutlich, dass unter dem Strich trotz der höheren Maschinen- und Arbeitskosten sehr wohl bei fast allen Versuchsanlagen eine schwarze Zahl stand: In einzelnen Versuchen konnten bis zu 200 Euro pro Hektar mehr erwirtschaftet werden als auf konventionellem Weg. Und das sogar, wenn man die vergleichsweise niedrigen Getreidepreise der Jahre 2016 bis 2021 als Vergleichsgrundlage heranzieht. Bei den heute explodierten Getreidepreisen wäre der Gewinn noch viel höher.

Warum trotzdem keine Goldgräberstimmung aufkam, erklärt sich durch die Datenlage: Zwei Jahre sind für universell gültige Aussagen zur Wirtschaftlichkeit von Precision Farming einfach zu kurz, um alle äußeren Einflussfaktoren wie die unterschiedlichen Niederschlagsmengen in den Versuchsjahren auszuschließen. Aber die moderne Technik sei eine sehr gute Versicherung gegen Ernteausfälle, besonders, wenn man die zunehmenden Klimaextreme berücksichtige, so Berwinkel-Kottmann.

Bewiesen sei hingegen, dass der Einsatz von digitaler Landtechnik auch auf den kleinen Schlägen des Münsterlandes funktioniere, und dass die Skeptiker widerlegt worden seien. Josef Debbert, einer der beteiligten Landwirte, brachte es abschließend auf den Punkt: „Mit jeder neuen Generation von Schleppern und Anbaugeräten wird die Technik leistungsfähiger. Irgendwann wird man gar nicht mehr darum herumkommen, diese Technik auch zu nutzen. Und wir haben gezeigt, dass das Sinn macht.“

Hintergrund

Unter Precision Farming wird die zielgerichtete Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Nutzflächen verstanden. Ziel ist es, nicht den gesamten Acker pauschal zu bewirtschaften, sondern Unterschiede des Bodens und der Ertragsfähigkeit innerhalb eines Feldes zu berücksichtigen. Die Positionen der Bearbeitungsmaschinen werden auf den Flurstücken erfasst. Die Maschinen dokumentieren Kennwerte wie den Ertrag während der Bearbeitung. Diese Daten werden ausgewertet und die Bodenbewirtschaftung, zum Beispiel Düngung, kann darauf abgestimmt werden.

Digitalisierung hilft in der Landwirtschaft
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